Weiße Nächte in St. Petersburg

Samstag
Die Bella Donna liegt im Nordhafen von Helsinki und erwartet eine neue Crew. Diese trifft nach und nach auf der Segelyacht ein. Nach dem Einrichten der Kojen essen wir gemeinsam in einem amerikanischen Restaurant. Unser Skipper ist der zuletzt Anreisende und überrascht uns beim Essen. Zusammen geht es zurück an Bord. Der Abend ist mild und man hat den Eindruck einer immerwährenden Helligkeit. Erst gegen 22:30 Uhr wird es dunkler, doch gegen drei Uhr beobachten wir den Sonnenaufgang.

Sonntag
Morgens frühstücken wir mit frischen Croissants. Anschließend werden von einem Teil der Crew die in der Achterkabine befindlichen Lebensmittel in den Salon geräumt. Der Rest von uns geht einkaufen und besorgt die noch fehlenden Frischwaren. Das Wetter klart auf und im Laufe des Tages setzt sich die Sonne durch. Nach einem abendlichen Essen erfolgt die zweistündige Sicherheitseinweisung. Um etwa 24:00 Uhr verlassen wir den Nordhafen und nutzen den 24-Stunden-Service des finnischen Zolls auf Soumenlinna, der größten Festungsinsel Europas, vor der Stadt, um auszuchecken. Die ganze Bucht von Helsinki ist jetzt zur dunkelsten Zeit des Tages in ein Zwielicht getaucht und ein roter Mond steht über der Stadt. Die gesamte Zollpier liegt in einer Wolke von Fliederduft. Nach der schnellen Erledigung der Ausreiseformalitäten segeln wir in die Morgendämmerung.

Montag
Wir folgen der Seeschiffahrtsstraße gen Osten. Gegen 15:00 Uhr erreichen wir die russische Insel Gogland. Der erste Kontakt mit der russischen Küstenwache erfolgt. Wir werden lediglich nach unserem Ziel gefragt. Wir haben die Insel kaum passiert, da dreht der Wind um 180 Grad auf Ost. Der bisher klare Himmel bewölkt sich. Im Laufe des Abends ziehen Gewitterwolken auf und wir geraten in ein Seegewitter mit heftigen Böen.

Dienstag
Das Seegewitter flaut langsam ab. Wie uns ein finnischer Segler in Helsinki verriet, treten in diesem Gebiet des bottnischen Meerbusens immer wieder heftige Sturmböen auf. Wir geraten an diesem Morgen zunächst aber in eine Flaute. Es erreichen uns jedoch hin und wieder Böen bis 6 Windstärken. Gegen vier Uhr überholen uns in der Morgendämmerung einige Kreuzfahrtschiffe, unter ihnen die MS Europa. Wir folgen Ihnen und sichten zwei Stunden später die Einfahrt zum St. Petersburger Seekanal. Die Leuchtfeuer von Kronstadt weisen uns den Weg. Wir durchfahren die Einfahrt und richten uns nach den neusten deutschen Seekarten. Nach gut 20 Minuten haben wir gut die Hälfte der Hafenanlagen von Kronstadt passiert, da macht sich achtern ein Zollboot bemerkbar. Die Mannschaft deutet uns an, zu folgen. Wir kommen der Aufforderung nach und machen an einem Flußschiff fest. Es ist die Zollstation, die auf unseren deutschen Seekarten hinter der Einfahrt eingezeichnet war und vor etwa zwei Wochen an diesen neuen Liegeplatz verbracht wurde. Zunächst einmal warten wir auf einen englisch sprechenden Zöllner. Dieser läßt jedoch auf sich warten. Aus diesem Grunde werden die ersten Einreiseformalitäten unter Einsatz der Zeichensprache erledigt. Nach 2 ½ Stunden trifft ein der englischen Sprache mächtiger Offizier ein und wir erledigen problemlos die letzten Formalitäten. Um elf Uhr legen wir ab und motoren durch den Seekanal Richtung Osten. Wir begegnen einigen Flugbooten, die das Binnenmeer zwischen Kronstadt und St. Petersburg durchqueren. Die St. Petersburger Bucht ist bei Kronstadt durch einen Damm von der Ostsee getrennt. Er schützt die Stadt vor Sturmfluten und Hochwasser. Gegen 14:30 Uhr, wir bewundern das sich uns bietende Panorama der Stadt, werden wir plötzlich von einem Motorboot umkreist. Auf diesem erwartet uns schon unsere Reiseleiterin, die uns auf diesem Wege schon einmal willkommen heißt und uns in den Yachthafen der Baltic Shipping Company lotst. Der Hafen liegt ein kleines Stück oberhalb der Mündung der nördlichen Newa und wir sind froh, durch die Untiefen vor der Flußmündung geführt zu werden. Nach der Zuweisung eines Liegeplatzes in unserem bewachten Zielhafen ist schnell die Landverbindung für Strom gelegt. Auf dem Gelände des Yachtclubs, in dem sich noch eine dänische Segelyacht und etwa 30 russische Motorboote und Yachten befinden, liegt auch ein eigenes Clubhaus mit einem Restaurant. Uns wird angeboten, eine in der Nähe befindliche private Sauna mit eigener Dusche zu nutzen. Dieses Angebot nehmen wir natürlich gern an. Im Laufe des Abends testen wir erst einmal das russische Bier und planen mit unserer Reiseleiterin den nächsten Tag. Wir genießen nach den Anstrengungen der letzten Tage das unbeschreibliche Licht der weißen Nächte.

Mittwoch
Um elf Uhr werden wir von einem privaten Kleinbus und einer Reiseleiterin vor dem Yachtclub abgeholt. Die Temperaturen liegen bereits über 30 Grad im Schatten. Die Sonne brennt unaufhörlich. Der Fahrer bringt uns zum außerhalb der Stadt gelegenen Zarenschloß Zarskoje Selo. Das Schloß und seine Parkanlagen sind überwältigend. Das Schloß beherbergte bis 1941 das legendäre Bernsteinzimmer. Hier wird es auch wieder rekonstruiert. Nach einem umfangreichen Besichtigungsprogramm treten wir beeindruckt den Rückweg an.

Donnerstag
Am heutigen Tag brechen wir zu unserer großen Stadtrundfahrt auf. Wir beginnen unsere Besichtigungstour mit der Peter und Paul-Festung, besichtigen die Isaaks Kathedrale mit den unglaublich schönen Wand- und Deckenmosaiken und besteigen natürlich auch die vergoldete Kuppel. Von dort haben wir einen unvergeßlichen Ausblick auf die Stadt. Nach einer kleinen Pause im Hotel Astoria setzen wir unsere Stadtrundfahrt fort, um gegen Abend in einem russischem Restaurant eine wohlschmeckende Kohlsuppe zu probieren. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir, daß es in diesem Teil des russischen Reiches vollends genügt, eine gedeckte Kreditkarte zu besitzen, um den anstehenden Zahlungsaufforderungen nachzukommen. Es werden jedoch auch Dollar akzeptiert. Nach dem Essen versuchen wir zunächst, ein Wassertaxi zu unserem Yachthafen zu bekommen. Unsere Bemühungen stellen wir jedoch sofort wieder ein, als uns der Bootsführer eines Motorboots den Fahrpreis von 200 US Dollar nennt. Wir beschließen, die Metro zu benutzen und lösen am Schalter 7 Metromarken zu je 40 Pfennigen. Ein milder Abend beschließt diesen informativen Tag.

Freitag
Die einsetzende Pappelblüte bestäubt das Land und den vor uns liegenden Fluß. Die Newa liegt heute morgen daher ganz in weiß vor uns. Wir wollen an diesem Tag Schloß Peterhof besichtigen. Mit Bus und Metro machen wir uns ohne unsere Reiseführerin auf den Weg. Ein Flugboot bringt uns vom Anleger vor dem Winterpalais nach Peterhof. Es ist wieder einmal ein warmer Tag. Aus diesem Grund beschränken wir uns nur auf das Durchstreifen der Parkanlagen. Ein mit Fontänen und Brunnen durchzogener Park liegt vor uns. Wir bestaunen den französischen Garten und die Doppelkaskade vor dem großen Schloß, welche zum unteren Gartenparterre führt. Der dort beginnende Kanal durchschneidet, von Fontänen flankiert, in einer Geraden die gesamte Parkanlage. Es bieten sich uns im Laufe des Tages unvergeßliche Ansichten. Nach einer späten Rückkehr zur Yacht genießen wir den Abend.

Samstag
Dieser Tag steht allen zur freien Verfügung. Ein Teil der Crew zieht über die Märkte der Stadt, andere nutzen die Zeit, um die Eremitage zu besichtigen. Gegen Abend zieht ein Gewitter auf und bringt eine willkommene Abkühlung. Heute ist unser letzter Abend in Rußland. Mit etwas Wehmut schauen wir auf die letzten Tage zurück. Wir hätten in dieser wunderschönen Stadt noch länger bleiben können, doch am Sonntag um Mitternacht laufen unsere Touristenvisa aus.

Sonntag
Wir können noch heute morgen die letzten Rubel ausgeben ( Das Clubrestaurant öffnet kurz nach elf Uhr ) und dann heißt es "Leinen los". Wir folgen der neben uns liegenden Segelyacht aus der Newamündung. Gegen 15:00 Uhr erreichen wir die Zollstation in Kronstadt. Dort können wir erstmalig in Russland die Wettervorhersage in Erfahrung bringen. Eine Wetterkarte oder gar ein Wetterbericht nach westlichem Maßstab war in der ganzen Stadt nicht aufzutreiben. Unser Navtex Gerät ließ uns in St. Petersburg ebenfalls in Stich. Erst in Finnland hatten wir wieder Empfang. Rasmus meint es nicht gut mit uns. Der Wind kommt mit 7 bis 8 Windstärken aus West. Gegen Abend läßt er ein wenig nach und wir versuchen unser Glück. Wir motoren gegenan. Die Wellen überspülen das Deck bis zum Aufbau, ja sogar eine Welle steigt über diesen hinweg. Um Mitternacht erreicht uns ein Seegewitter. Die Wellen werden "plattgeregnet". Das Naturschauspiel ist jedoch unbeschreiblich.

Montag
Am Morgen kommt wieder einmal Gogland in Sicht. Kurz nach dem Verlassen des russischen Hoheitsgebietes biegen wir in die finnischen Schären ab. Dies bleibt von der finnischen Küstenwache jedoch nicht unbemerkt. Es erreicht uns kurz nach 14.00 Uhr ein außenbordbetriebenes Schlauchboot mit 500 PS der Küstenwache und weißt uns auf die Einklarierungsmöglichkeit in Orrengrund hin. Wir folgen der freundlichen Aufforderung und suchen die Zollstation umgehend auf. Diese liegt in einer geschützten Bucht auf einer Insel. Wir nutzten die Liegezeit, um kleinere Reparaturen durchzuführen. Abends suchen wir uns schließlich einen geschützten Liegeplatz für die Nacht. Unsere Wahl fällt auf einen steil abfallenden Felsen mit Baumbewuchs im Lee einer Insel. Die Bugleine wird kurzerhand um einen dickeren Baumstamm geschlungen und der Heckanker wird achtern ausgebracht. Schon liegen wir sicher. Jeder kann nun seinen Interessen nach und genießt aus seine Weise einen wunderschönen Sonnenuntergang.

Dienstag
Die Sonne macht uns das Leben schwer. Wir segeln bei 1,2 bis 2 Knoten durch die finnischen Schären gen Westen. Gegen Abend holen wir mit dem Dingi frisch geräucherten Lachs aus einer zufällig am Ufer gefundenen Räucherei. Der Fisch ist wie erwartet ein Gedicht. Eine Gewitterfront zieht binnen einer Stunde über uns hinweg. Wir ankern in einer Bucht und gehen schwimmen.

Mittwoch
Heute suchen wir die Zollstation von Pirttisaari auf. Wir wollen Finnland noch einmal verlassen, um Estlands Hauptstadt Tallinn kennenzulernen. Ein freundlicher Zöllner hilft uns aus unserer Wasserknappheit, indem er uns erlaubt, 100 l Trinkwasser am Zollpier zu bunkern. Anschließend verlassen wir das geschützte Küstengebiet und, ehe wir uns versehen, wird die Yacht von Grundseen geschüttelt. Bei strahlendem Sonnenschein, aber einem anhaltenden Starkwind setzten wir das 2. Reff und die Sturmfock. Abends geraten wir zunehmend unter Landabdeckung und nutzen diese aus, um nach Tallinn zu gelangen.

Donnerstag
Das gestrige Tagesziel erreichen wir um 3:45 Uhr und legen uns gleich an die dortige Zollpier von Pirita, dem ehemaligen Segler-Olympiazentrum. Um acht Uhr klarieren wir ein und bekommen einen ruhigen Liegeplatz. Der Hafen weist eine sehr gute Infrastruktur auf. Neben dem Strom- und Wasseranschluß direkt am Liegeplatz finden wir geräumige Duschen mit Sauna und Toiletten, eine Schiffstankstelle, ein Hafenrestaurant, ein Hotel, ein ärztezentrum und eine Wechselstube. In unmittelbarer Nähe befindet sich ein größerer Supermarkt. Der Taxistand vor dem Hotel eignet sich als Ausgangspunkt für Ausflüge in die Tallinner Altstadt, die man auf jeden Fall besichtigen sollte. An der Hotelrezeption ruft man gerne einen Großraumtaxi für die gesamte Crew. Es empfiehlt sich, sich ausreichend Zeit für die betriebsame Unterstadt mitzubringen. Jedoch sollte man auch nicht die Mühe scheuen, den Domberg zu besteigen und in den immer enger werdenden Gassen die Oberstadt zu erkunden. Von hier aus hat man auch die Möglichkeit, herrliche Ausblicke auf die Umgebung der Stadt zu genießen. Wir verbringen einen abwechslungsreichen Tag in der Stadt und sind von dem mittelalterlichen Flair begeistert! Das Abendessen nahmen wir in einem malerischen Hofrestaurant in der Altstadt ein.

Freitag
Ein strahlender Morgen erwartet uns. Wir zahlen unsere Liegeplatzgebühr, umgerechnet 15 DM, und tanken noch einmal voll. Der Liter Diesel kostet nur etwa 75 Pfennige. Mit frischen Lebensmitteln versorgt - von einem Versorgungsengpaß kann bei den vollen Regalen, die wir hier im Supermarkt gesehen haben, keine Rede sein. Es geht wieder nach Finnland. Beim Zoll ist zwingend die Quittung über die bezahlten Hafengebühren vorzuzeigen. Wir brauchen für die überfahrt nicht ganz sechs Stunden. Die zwischen Helsinki und Tallinn verkehrende Schnellfähre hätte es für umgerechnet 24 DM in 1 ½ Stunden geschafft. In Helsinki angekommen, fängt es seit langem wieder einmal an zu regnen. Ein gemeinsames abschließendes Abendessen beschließt den ersten Törnabschnitt.

Samstag
Heute wechselt ein Teil der Crew. Morgens reinigen wir gründlich die Bella Donna und verbringen ein paar schöne Stunden im Zentrum von Helsinki. Den blauen Himmel nehmen wir als Garant für gutes Wetter auf dem zweiten Törnabschnitt. Nachmittags treffen die neuen Crewmitglieder ein. Nach einem gemeinsamen Begrüßungsessen verholen wir das Schiff nach Soumenlinna und finden dort einen Liegeplatz in der Nähe der Zollpier.

Sonntag
Aufgrund des sonnigen, jedoch stürmischen Windes aus West-Süd-West beschließen wir, heute die Festungsinsel zu besichtigen. Dies ist jedoch auch die Absicht von Hunderten von Finnen, welche die Festungsinsel von den anlegenden Ausflugsbooten her stürmen. Wir suchen uns ein ruhiges Plätzchen und genießen den Tag. Gegen Abend schwächt der Wind ab. Wir klarieren wieder einmal aus und segeln über Nacht nach Tallinn.

Montag
Wir legen wieder einmal morgens am Zollpier an. Es hat sich zwischenzeitlich herausgestellt, dass ein Crewmitglied nur einen Personalausweis mitführt. Es ist jedoch beim Zoll zwingend ein gültiger Reisepaß vorzuzeigen. So wird die deutsche Botschaft verständigt, die auch sofort entsprechende Ersatzpapiere ausstellt. Nach dem Bunkern von Lebensmitteln bummeln wir ein weiteres Mal durch die Altstadt. Abends rundet eine heiße Dusche den Tag ab.

Dienstag
Bei strahlendem Himmel, doch bei einer Windstärke von 5 bis 6, in Böen 7 reffen wir das Großsegel uns ziehen die Sturmfock auf. Wir entschließen uns, bei diesen Windstärken dicht unter Land zu bleiben. Gegen Abend erreichen wir den Fischereihafen Durhami Salam an der Westspitze des Festlands, der uns bestens vor den westlichen Winden schützt. Wir finden hier lediglich eine Pier mit Landstromanschluß. Dafür zahlen wir an Liegeplatzgebühr für die Bella Donna beim Hafenmeister nur umgerechnet etwa 65 Pfennig pro Stunde. Dieser freut sich sichtlich darüber, wieder einmal deutsch zu sprechen. Er besorgt uns aufgrund eines von uns geäußerten Wunsches eine Mitfahrgelegenheit in einem alten Volvo. Dieses Vehikel bringt uns nach einer kurzen aber abenteuerlichen Fahrt über Estlands Landstraßen zu einem Restaurant im Blockhausstil mitten in einem neu errichteten Feriendorf. Dort erwartete man uns schon, und wir erlebten wieder einmal einen gelungenen Abend.

Mittwoch
Wir laufen schon gegen acht Uhr morgens aus, um das heutige Tagesziel, den Yachthafen von Haapsalu, noch am Vormittag zu erreichen. Noch vor Mittag machen wir in einem gut ausgestatteten Hafen fest. Haapsalu, ein estnisches Provinzstädtchen, liegt auf einer weit in die Ostsee ragenden Landzunge mitten im estnischen Archipel. Schon zur Zarenzeit war Haapsalu bei der russischen Oberschicht in Moskau und St. Petersburg wegen seiner Moorbäder beliebt. Das prächtige alte Kurhaus erinnert an diese Zeit. Selbst Tschaikowski erholte sich dort und ließ sich von der verträumten Landschaft inspirieren. Haapsalus Hauptsehenswürdigkeit ist jedoch die mächtige Ruine der mittelalterlichen Bischofsburg aus dem 13. Jahrhundert. Im Sommer ist sie stilvolle Kulisse für Konzerte und Aufführungen. Nach einer gemeinsamen Stadtbesichtigung erlebten wir alle einen erholsamen Tag an Land.

Donnerstag
Nach dem Ablegen segeln wir durch das estnische Archipel gen Süden. Bei strahlendem Sonnenschein und nördlichen Winden machen wir vor dem Wind bis 9 Knoten Fahrt. Wir durchfahren die Meerenge der Insel Muhu und erreichen den nördlichen Teil der Bucht von Riga. Wir halten uns jedoch an der Südküste von Saaremaa. Sie ist mit 2922 km² die größte estnische Insel. Abends erreichen wir nach einem wunderschönen Segeltag Rossaare, einen Vorort der Inselhauptstadt Kuressaare. Der Hafen ist erst etwa drei Jahre alt und vorbildlich ausgestattet. Vom Landanschluß bis zum Hafenrestaurant finden wir alles, was unser Herz begehrt. Sogar ein Wetterbericht wird täglich vom Hafenmeister angeschlagen. Hier haben wir jedoch auch kein Problem mehr, den Wetterbericht auf das Display unseres Navtexgerätes zu bekommen. Nach einer heißen Dusche und einem guten Abendessen lassen wir den Tag ausklingen.

Freitag
Heute haben wir uns die Besichtigung von Kuressaare, dem ehemaligen Ahrensburg, vorgenommen. Mit dem Taxi erreichen wir binnen zehn Minuten das Zentrum der Inselhauptstadt. Die Kleinstadt mit rund 17000 Einwohnern wird von der weitgehend unversehrt gebliebenen Bischofsburg beherrscht. Sie wurde Ende des 13. Jahrhunderts gebaut und war seit Mitte des 14. Jahrhunderts Bischofsitz des damaligen Bistums ösel-Wieck. Mit den beiden mächtigen Türmen, ihrem rechteckigen Grundriss und den 20 Meter hohen, zinnenbewehrten Außenmauern zählt diese kleine kompakte Burg mit zu den schönsten Burgen des Baltikums. Im Hauptgebäude selbst ist das Stadtmuseum untergebracht. Wir streiften mehrere Stunden durch die engen Gänge, über steile steinerne Treppen und über Zwischengeschosse durch die angenehme Kühle des Gemäuers. Nach diesem Besuch nutzen wir die Gelegenheit zum Einkauf in der Stadt. Wir entdeckten, daß die dortige Geschäftswelt das Panoramaschaufenster als solches noch nicht als Blickfang für Geschäfte verwendet. Dies wirkte sich jedoch äußerst positiv auf die Gestaltung der Straßenzüge aus. So standen wir unwissentlich vor dem größten Supermarkt der Stadt und nahmen ihn zunächst nicht wahr. Nachdem wir diesen betreten hatten, bestaunten wir, wie eigentlich jedesmal in einem Geschäft dort, die unglaubliche Warenvielfalt. Das Angebot stand den gewohnten europäischen Standards um nichts nach. So konnten wir uns dort jeden noch so ausgefallenen Wunsch erfüllen. Im Hafen angelangt, konnten wir nochmals tanken. Gegen 21:00 Uhr legten wir dann gut versorgt ab.

Samstag
Wir segeln durch eine sternenklare Nacht und folgen dem Nordstern. In der Früh erleben wir einen atemberaubenden Sonnenaufgang. Gegen neun Uhr erreichen wir Lethma, einen kleinen Hafen auf der Insel Hiiumaa. Wir bekommen mit Glück noch einen letzten Liegeplatz am Ende der Mole. Wir erfahren, daß hier tags zuvor eine Regatta, das Sweden Race, durch Estland endete und die vielen Segler erst im Laufe des Tages den Hafen verlassen wollen. Angesichts der katastrophalen sanitären Situation verzichten wir auf die Benutzung der wenigen Duschen. Um unsere Versorgungslage zu verbessern, kaufen wir in der nicht weit entfernten Kleinstadt Kärdla nochmals ein. Nach dem Abendessen klarieren wir aus und verlassen Estland.

Sonntag
Morgens erreichen wir Hangö im Süden Finnlands. Die Formalitäten des Zolls sind binnen 10 Minuten erledigt. Der Hafen ist überfüllt und wir finden nur mit Mühe einen Liegeplatz. Vom Hafenmeister erfahren wir, daß am morgigen Tag die Weltmeisterschaftsregatta der Acht-Meter-Boote stattfindet. Angesichts des Rummels und der Planungen für die nächsten Tage verlassen wir Hangö nach einigen Stunden. Wir segeln lieber durch die finnischen Schären und suchen uns gegen Abend einen ruhigen Liegeplatz. Wir suchen uns, wie auch immer in den nächsten Tagen, einen steil abfallenden Felsen und legen uns längsseits. Wir fangen seit langem wieder einmal ein, an Bord ein Abendessen zu kochen.

Montag
Es geht durch den Schärengarten Finnlands. Bei bestem Wetter segeln wir Richtung Turku. Mit Mühe lassen sich manches Mal Richttafeln auf den Inseln erkennen. Die Seewege durch diese Inselwelt sind jedoch gut betonnt. Es erweist sich jedoch immer wieder als wichtig, seine genaue Position zwischen den Inseln zu kennen. Zu viele Felsen können, nicht weit ab von den Seestraßen, einem die Freude am Segeln nehmen. Gegen Abend suchen wir uns einen steilen Felsen und machen fest. Bald darauf steuert uns ein Motorboot an. Der in dem Boot befindliche ältere Herr weißt uns darauf hin, daß wir an seinem "Berg" liegen. Nach einem Wortwechsel können wir jedoch dort liegenbleiben, wenn wir ihm einen fangfrischen Hecht abkaufen. Dies lassen wir uns nicht zweimal sagen. Ein lebender fünf Kilo Hecht wechselt daraufhin den Besitzer. Das Abendessen steht zu diesem Zeitpunkt jedoch schon auf dem Tisch. So muß die Zubereitung des Hechtes auf den nächsten Tag warten.

Dienstag
Wir legen am nächsten Morgen recht früh ab. Mit 7 bis 8 Knoten kommen wir gut voran. Gegen 11 Uhr morgens erreichen wir die ersten Inseln der Alands. Mit Kurs Nordwest geht es bis nach Fangö. Dort ankern wir, um den Fisch auszunehmen und eine Mittagspause zu machen. Wir haben mit 60 Grad 22 Minuten Nord unseren nördlichsten Punkt der Reise erreicht. Die Crew sucht unter Deck vor der Sonne Schutz. Nachmittags beschließen wir, uns eine malerische Bucht auf der Seekarte auszusuchen. Diese erreichen wir auch gegen 20 Uhr. Die Bucht bildet ein an einer Seite offenen Talkessel. Wir hoffen auf eine ungestörte Nacht in der Abgeschiedenheit einsamer Wälder, als wir um die letzte Felsnase biegen und bereits etwa 20 Segler vorfinden. Dennoch finden wir einen Felsen, der unsere Bedürfnisse erfüllt. Die Hechtsteaks an Knoblauch sind ein Gedicht und runden den herrlichen Tag ab.

Mittwoch
Um acht Uhr brechen wir auf. Wir wollen recht früh die sich nur stündlich öffnende Drehbrücke vor Mariehamn erreichen, um noch genug Zeit für die Hauptstadt der Aland Inseln zu haben. Es gelingt uns, unseren recht eng gesteckten Zeitplan einzuhalten. Gegen 11 Uhr erreichen wir unser Ziel. Schönstes Sommerwetter lockt uns in die Stadt und ins Schiffahrtsmuseum. Wir besichtigen die stählerne Viermastbark "POMMERN" und erfahren einiges über die Geschichte der Seefahrt in diesem Teil der Ostsee. Im Laufe des Nachmittags zieht eine Regenfront heran, und das erste Mal seit zwei Wochen fängt es an zu regnen. Wie wir im Laufe des Abends erfahren, hält das schlechte Wetter die hier lebenden Finnen nicht davon ab, das jährliche Hafenfest zu feiern. Bis Mitternacht wird draußen trotz Regen getanzt. Auch danach kam der Hafen noch lange nicht zur Ruhe.

Donnerstag
Aufgrund des schlechten Wetters und einer überraschend anstehenden Motorreparatur entschließen wir uns, mit dem Auslaufen zu warten. Mittlerweile zieht das angekündigte Tief über unsere Köpfe hinweg. Gegen Mittag verlassen wir Mariehamn. Das telefonische Auschecken beim finnischen Zoll erspart uns einen großen Umweg und somit eine Menge Zeit. Es klart auf und die Sonne bricht zwischen den Wolken hervor. Wir halten Kurs auf den nördlichen Seeweg, der uns Richtung Stockholm führen wird. Abends suchen wir uns ein letztes Mal einen geschützten Ankerplatz in den Schären. Sie liegen zwar in Schweden, sind jedoch von den finnischen nicht zu unterscheiden. Der Törn neigt sich seinem Ende zu. Morgen werden wir Stockholm erreichen.

Freitag
Rasmus verwöhnt uns noch einmal mit einem letzten sonnigen Segeltag. Die letzten 30 Seemeilen werden heute zurückgelegt. Mittags kommen wir an Vaxholm, einer schwedischen Festungsanlage, vorbei. Mit rauschender Fahrt geht es auf den Innenstadthafen von Stockholm zu. Dort liegt sie dann plötzlich, eingerahmt von zwei Kreuzfahrtschiffen, vor uns, die malerische Altstadt auf der Insel Riddarholmen. Bevor wir den Vasa-Hafen anlaufen, unternehmen wir eine ausgiebige Hafenrundfahrt auf eigenen Kiel. Nach dem letzten Anleger und dem Testen der Duschen besichtigen wir das in unmittelbarer Nähe liegende Vasa-Museum und die Stockholmer Altstadt. Ein spektakulärer Sonnenuntergang rundet diesen Segeltörn ab. Wir sind nach über 1000 Seemeilen am Ziel.

Samstag
Die Bella Donna wird heute am Abreisetag nochmals auf Hochglanz poliert. Wir haben sogar noch Zeit, den Radarreflektor zu montieren. Am Nachmittag erfolgt dann individuell die Abreise.